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Das Stromnetz mit Farbe füllen
Der Strom kommt aus der Steckdose: Selbstverständlich. Damit das so ist, gibt es Richard Schmidt und das Team der Netzleitstelle. Sie sind die Hüter des Stromnetzes und erzählen hier, was zu ihrem Job gehört.
Wir sitzen hier an einem Montagmorgen. Wie lief dein Tag bisher ab?
Richard Schmidt: Die Netzleitstelle ist immer besetzt, an 365 Tagen im Jahr und 24/7. Das heißt, dass immer mindestens zwei Kollegen vor Ort sind – unter der Woche tagsüber sind wir auf Grund der Arbeitsmenge zu viert.
Wenn man zum Dienst kommt, hat man erstmal eine viertel Stunde Übergabezeit mit den Kollegen, die danach in den Feierabend gehen. Wir klären, wo z.B. gerade Störungen bestehen oder ob es technische Probleme in den Anlagen gibt, oder welche Besonderheiten über das vergangene Wochenende aufgetreten sind.
Dann setze ich mich an meinen Platz und verschaffe mir einen Überblick über den Schaltzustand des Netzes. Das muss ich machen, damit ich vorbereitet bin, wenn die ersten Netzschaltungen anstehen oder auch eine Störung auftritt. Nach einem Urlaub dauert es manchmal eine Weile, bis ich schaltwarm bin, wie ich immer sage. Sonst bin ich sofort drin.
Ja, und dann geht es los: Kundenanrufe, der Schaltungsplan wartet, plötzlich eine technische Störung…
Was ist eure Aufgabe hier in der Netzleitstelle?
RS: Wir sind zuständig für unser Mittel- (20kV) und Hochspannungsnetz (110kV), welches sich über große Teile von der Pfalz und dem Saar-Pfalz-Kreis erstreckt. Hinzu kommt ein Höchstspannungsnetz mit Leitungen, die über 100km lang sind, in welchem wir gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber schalten. Zum Beispiel eine Trasse aus dem Saarland mit einigen Kraftwerken, die Richtung BASF und Region Rhein-Neckar führt.
Kurz gesagt: Wir sorgen dafür, dass der Strom bei den Menschen ankommt – immer, auch wenn Bauarbeiten in Anlagen anstehen, die Masten gewartet werden müssen oder auch ein Unwetter aufzieht. An Weihnachten, an Silvester… Wir sorgen dafür, dass möglichst keine Versorgungsunterbrechungen für unsere Kunden auftreten. Oder wenn zum Beispiel ein Baum auf die Stromleitung stürzt und so die Stromversorgung in Gefahr ist, sind wir dafür zuständig, dass das Problem schnellstmöglich behoben wird. Dafür arbeiten wir sehr eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen vor Ort, in den Netz- und Anlagenteams, zusammen. Diese sind quasi unser verlängerter Arm nach draußen an die Schalter.
Eigentlich kann man sagen: Es gibt zwei Teile meiner Arbeit. Zum einen die geplanten Schaltungen, die von unseren Kolleginnen und Kollegen draußen angemeldet werden. Ein Mast muss neu gestrichen werden. Es stehen Bauarbeiten an. Da müssen wir für den entsprechenden Netzabschnitt freischalten, damit unsere Kollegen im Netz sicher arbeiten können.
Und dann gibt es die unvorhersehbaren Störungen. Am letzten Freitag zum Beispiel fegte ein heftiges Gewitter über die Region hinweg. Plötzlich waren mehrere hundert Leute ohne Strom. Da muss es dann schnell gehen. Unser Ziel: Die Störung schnellstmöglich zu lokalisieren. Wenn ein Baum umstürzt, ist der Fehler für unser Netzteam draußen sofort sichtbar. Am Freitag lag der Fehler aber an einem Erdschluss. Den zu lokalisieren dauert etwas länger, hiervon bekommen unsere Kunden allerdings nichts mit. Wenn sich solch ein Erdschluss jedoch zu einem Kurzschluss ausbildet, können davon auch Kunden betroffen sein. Als erstes informieren wir dann unsere Kollegen und auch die betroffenen Gemeinden, im speziellen die Feuerwehren per Kurzmail - und natürlich auch unser Presseteam. Wir geben an, wie lange wir denken, dass der Ausfall bestehen wird. Parallel geschieht die Absprache mit dem Netzteam die uns maßgebend bei der Störungssuche unterstützen. Dies sind auch die Kolleginnen und Kollegen, die im Nachgang vor Ort die Reparaturen durchführen, aber erst im Nachgang, wenn alle Kunden wieder versorgt sind. Die Versorgung der Kunden hat bei uns die höchste Priorität.
Gleichzeitig sind wir nachts und am Wochenende für Kundenanrufe zuständig und sind Ansprechpartner für die Behörden der Region und für die Presse. Jederzeit! Weitet sich möglicher Weise eine Störung auf Grund z.B. eines Orkans weiter aus, entscheiden wir auch die Situation zu eskalieren, dies führt zu weiterer Unterstützung durch unseren eigenen Bereitschaftsdienst, über die Ingenieurbereitschaft, bis hin zur Einberufung eines Notfallstabs oder auch des Krisenstabs. Aber das geschieht sehr selten.
Wie geht es dir in solchen Stresssituationen?
RS: Wenn der Strom ausfällt, ertönt ein Gong und ein rotes Signal leuchtet. Zudem wird ein Teil meines Netzplans vorne auf der großen Projektionsfläche des Netzleitsystems, die eigentlich bunt ist, weiß – der Teil, der von der Störung betroffen ist.
Mein Ziel ist es dann, das Ganze wieder mit Farbe zu füllen. Ich denke in dem Moment nicht an die Menschen, die im Fahrstuhl fest stecken, oder an das Chaos auf den Straßen, weil die Ampeln ausfallen – und darf es auch gar nicht. Ich muss technisch drauf schauen und zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen die Störung lokalisieren und beheben. Das läuft sehr strukturiert ab. Die Schaltgespräche mit unseren Kollegen aus den Netz- und Anlagenteams haben zum Beispiel eine feste Abfolge und klare Begriffe. Das ist ähnlich wie bei einem Gespräch zwischen Fluglotse und Pilot.
Klar, ist es anstrengend, wenn Kunden anrufen und ich gleichzeitig die Koordination mit den Mitarbeitern vor Ort stattfindet. Aber im Team klappt das!
Was ist die größte Herausforderung als Netzleiter?
RS: Ganz blöd ist es, wenn an einem windstillen, sonnigen Brückentag eine Störung auftritt. Da hat man dann erstmal gar keinen Anhaltspunkt, woran es liegen könnte. Ich muss aber eigentlich innerhalb von Minuten entscheiden, ob und wo ich wieder einschalte, damit sich der Stromausfall in Grenzen hält– oder ob ich damit Menschen gefährden könnte, weil zum Beispiel eine Erntemaschine an den Mast gefahren ist. Das ist nicht leicht. Oder es kann genauso gut sein, dass Feldplanen in den Mast geflogen sind und die Bauern versuchen die Planen selbst zu entfernen. Deshalb lassen wir immer das Geschehen vor Ort kontrollieren, wenn die Fehlerursache nicht eindeutig ist. Dann gibt es zwar solange einen Stromausfall, aber Menschenleben stehen natürlich an erster Stelle.
Wie war dein Weg in diesen Job?
RS: Ich bin Elektrotechniker und bin 1995 hier eingestiegen, war aber damals zuständig für die Netzleittechnik. Dann wurde vor acht Jahren eine Stelle ausgeschrieben in der Netzleitstelle. Ich hatte ja schon ganz guten Einblick für die Infrastruktur hier und fand es spannend, mal was anderes zu tun. Und ich fand das Schichtsystem interessant, weil ich damals noch im Ehrenamt Ortsvorsteher von Marienthal war und das gut vereinbar schien. Hat geklappt, jetzt bin ich Netzleiter.
Was treibt dich an, was gefällt dir hier?
RS: Ich bin hier am Reagieren auf Ereignisse, muss alles koordinieren und vor allem Entscheidungen treffen, die große Auswirkungen haben. Das ist eine tolle Herausforderung.
Und wir haben ein sehr gutes Team! Wir gestalten auch unsere Schichten selbst, das ist toll, da so viel Freiraum zu haben. Gerade heute Morgen hat mich ein Kollege gefragt, ob ich an einem Tag für ihn einspringen kann, weil er eine Familienfeier hat. Das ist ein Miteinander.
Man muss hier viel kommunizieren, mit unseren Kollegen im Netz und mit den Kunden. Wir haben viel den Hörer am Ohr. Da ruft dann das Stadtwerk an und die Oma, die ihren Kuchen plötzlich nicht weiter backen kann. Das ist eine schöne Abwechslung.
Mit wem im Haus würdest du gerne mal tauschen?
RS: Eigentlich würde ich gar nicht tauschen wollen, mir würde nichts anderes einfallen im Moment!
(Anm.d.Red.: Der Artikel wurde ursprünglich im Sommer 2019 veröffentlicht und nun noch einmal aktualisiert)
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