Das Energiesystem demokratisieren

Das Energiesystem demokratisieren

Blockchain – alle reden davon, doch was steckt wirklich dahinter und wie kann die Technologie die Energiewirtschaft verändern? Gemeinsam mit der Hochschule Reutlingen haben wir uns dem Thema angenähert.

Im Rahmen einer Forschungsarbeit hat Prof. Dr.-Ing. Debora Coll-Mayor mit zwei Studierenden einen transparenten Stromabrechnungs-Prozess in einem virtuellen Quartier auf Basis der Blockchain umgesetzt.
„Das Projekt ist sehr erfolgreich verlaufen. Bis zu einer Umsetzung in der Praxis sind jedoch noch einige Herausforderungen von der Standardisierung der Datenformate bis zur Vereinfachung von Prozessen mit der Bundesnetzagentur zu meistern“, so Debora Coll-Mayor. Wir wollten mehr wissen.

Was ist eine Blockchain?

Wer zuerst nochmal kurz wissen möchte: Was ist eine Blockchain und wie funktioniert sie? Findet hier eine gute Erklärung im Videoformat.

Welche Erkenntnisse haben Sie im Blockchain-Projekt gewinnen können?

Prof. Dr.-Ing. Coll-Mayor: Mit dieser Forschungsarbeit wurde ein Geschäftsmodell für ein Quartier konzipiert, in dem die Akteure am Peer-to-Peer-Handel teilnehmen. Über ein zentrales Energiemanagementsystem können damit flexibler Stromverkauf und die Automatisierung interner Prozesse, z.B. der Stromabrechnung, gesteuert werden. Als Basis für Stromkostenminimierung für Kunden wurde ein transparentes Abrechnungsverfahren aufgebaut und über eine Ethereum-Blockchain realisiert.

Im Rahmen des Projekts wurde ein von der Pfalzwerke AG konzipiertes Quartier mit 30 Wohneinheiten, einer Photovoltaikanlage, einem BHKW und einem Spitzenlastkessel betrachtet. Die Stromabrechnung wurde im 15-Minuten-Raster auf der Basis von Smart Contracts realisiert, mit denen virtuelle Verträge ohne zentrale Instanz umgesetzt werden können.
Mit einem zentralen Energiemanagement und intelligenten Messsystemen als Voraussetzung haben wir die Machbarkeit des Konzepts nachweisen können. Bis zur Umsetzung des Konzepts in die Praxis müssen jedoch noch einige Herausforderungen von einer Standardisierung von Datenformaten bis hin zur Neudefinition von Abläufen und Verantwortlichkeiten z.B. mit der Bundesnetzagentur gemeistert werden.

Wo sehen Sie die Perspektiven der Blockchain-Technologie?

Prof. Dr.-Ing. Coll-Mayor: Wir sehen die Blockchain-Technologie z.B. mit den Kryptowährungen als grundlegender Baustein verteilter Handels- und Energiesysteme. Die Blockchain-Technologie kann damit zu einer Demokratisierung des Energiesystems beitragen. Die Hochschule Reutlingen hat einen hohen Anteil internationaler Studenten, die begeistert von dieser Technologie sind und in die Vorlesungen strömen.

(Anm. d. Blogteams: Auch eine Umfrage der dena kommt zu dem Ergebnis, dass die Blockchain-Technologie für die Energiewirtschaft großes Potenzial bietet. Der BDEW hat ebenfalls eine Studie zum Einstieg in die Blockchain-Technologie und zeigt praktische Beispiel für deren Einsatz auf.)

Sie haben an der Fakultät für Technik an der Hochschule Reutlingen das DLT-Lab gegründet. Was ist das Ziel?

Prof. Dr.-Ing. Coll-Mayor: Das Ziel des DLT-Labors ist die Erforschung, Entwicklung und Erprobung von neuartigen Verfahren auf Basis von sogenannten Distributed Ledger Technologien wie Blockchain oder Tangle. Das Thema Blockchain gewinnt in vielen Bereichen immer mehr an Bedeutung. Doch die Unsicherheit der Industrie ist groß. Viele Unternehmen wissen noch nicht, wie die Implementierung von Blockchain-Technologien ihre Geschäftsprozesse beeinflussen kann und trauen sich nicht, große Investitionen voranzutreiben.


Deshalb soll das DLT-Lab die Industrie bei der Umstellung auf diese Technologien unterstützen. Zudem sollen Studierende die nötige Kompetenzen vermittelt bekommen, um im Digitalisierungsprozess der Gesellschaft bestehen zu können.

Nennen Sie uns bitte in Beispiel für ein aktuelles Projekt?

Prof. Dr.-Ing. Coll-Mayor: In einem Projekt zum Virtuellen Kraftwerk der zweiten Generation wird im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt die Integration volatiler regenerativer Quellen in die Stromnetze auf allen Spannungsebenen untersucht.

Virtuelle Kraftwerke organisieren Netzdienlichkeit, indem sie virtuelle Speicher in Form von Flexibilitäten bei Erzeugung und Verbrauch bereitstellen und damit die Abregelung regenerativer Erzeuger vermeiden bzw. einen weiteren Zubau erleichtern. Die Kommunikation erfolgt mittels einer Distributed Ledger Technology (DLT), z.B. Ethereum Blockchain oder Tangle (IOTA), über welche die Akteure Liefer- und Abnahme-Versprechen aushandeln und überwachen.

Der Ansatz lässt sich direkt mit einem anderen Zukunftsthema, der Elektromobilität verbinden. Intelligente Ladesäulen können als Teilnehmer am Netzwerk die Flexibilität ihrer Aufträge einbringen, dabei setzen sie die realen Batteriespeicher der Fahrzeuge netzdienlich ein.

Welche Rahmenbedingungen sind wichtig für erfolgreiche Forschungs- und Innovationsprojekte?

Prof. Dr.-Ing. Coll-Mayor: Wir achten bei der Zusammenstellung von Forschungs- und Projektteams vor allem auf eine Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, Nationalitäten und Geschlechter. Diversität ist unbedingte Voraussetzung für neue Entwicklungen.

Die Hochschule in Reutlingen bietet mit ihren sechs verschiedenen Lehr- und Forschungszentren und diverse Forschungsgruppen sowie dem hohen Anteil an Studenten auch mit internationaler Herkunft dabei beste Voraussetzungen.

Welche Studiengänge gibt es in Reutlingen?

Prof. Dr.-Ing. Coll-Mayor: Auf unserem Campus lernen mehr als 5.500 Studierende an fünf verschiedenen Fakultäten: Angewandte Chemie, ESB Business School, Informatik, Technik, Textil und Design in 37 Bachelor- und Master-Studiengängen und verschiedene Weiterbindungsprogramme.

  • Prof. Dr.-Ing. Debora Coll-Mayor
    Prof. Dr.-Ing. Debora Coll-Mayor hat mit zwei Studierenden einen transparenten Stromabrechnungs-Prozess in einem virtuellen Quartier auf Basis der Blockchain umgesetzt.
  • Blockchain Hochschule Reutlingen Pfalzwerke
    Prof. Dr.-Ing. Antonio Notholt ist ihr Kollege und steht hier vor dem Versuchsaufbau.
  • Prof. Dr.-Ing. Antonio Notholt
    Auf dem Campus der Hochschule Reutlingen lernen mehr als 5.500 Studierende an fünf verschiedenen Fakultäten.

Was ist was bei Blockchain & Co - Begriffserklärungen

Peer to Peer

Peer to Peer bedeutet übersetzt Rechner-Rechner-Verbindung. Es handelt sich um Rechnernetze, die die Funktionen, Dienstleistungen und Dateien durch die Verknüpfung mehrerer Computer zur Verfügung stellen. Es ist ein dezentrales Netzwerk, das die Zusammenarbeit sehr erleichtert, da jeder Mitarbeiter auf alle Rechner zugreifen und Dateien austauschen kann.

Ethereum-Blockchain

Ethereum ist eine Blockchain Plattform, welches das Anlegen, Verwalten und Ausführen von dezentralen Programmen anbietet. Die Meisten benutzen keine eigene Blockchain, sondern verwenden die Blockchain von Ethereum. Diese verfügt über eine eigene Kryptowährung namens Ether.

Smart Contract

Smart Contracts sind digitale, intelligente Verträge, die auf Computerprotokollen basieren. Sie ermöglichen die Durchführung vertrauenswürdiger Transaktionen und Vereinbarungen, die auf anonymisierter Basis ablaufen.

Tangle

Tangle ist, wie die Blockchain, eine dezentrale Datenbank, die es ermöglicht Teilnehmern eines Netzwerkes eine gemeinsame Les - und Schreibweise zu erlauben. Der Unterschied zur Blockchain ist, dass man eine Mindestanzahl an Bestätigung einer Transaktion benötigt, um eine endgültige Ausführung zu ermöglichen.

Mehr interessantes Gezwitscher:

Innovative LED-Straßenlaternen im Alltagstest

Innovative LED-Straßenlaternen im Alltagstest

Straßenbeleuchtung ist im Dauereinsatz und verbraucht viel Energie. In Maxdorf testen wir jetzt innovative LED-Technik, die mit 30 Prozent weniger Energie auskommt.

Mehr lesen Mehr lesen
Mit Innovationen in die Zukunft

Mit Innovationen in die Zukunft

Seit Oktober 2018 ist Christoph Raquet bei uns und für Technologie und Innovation zuständig. Ein spannender Bereich, in dem Innovationen an der Tagesordnung sind.

Mehr lesen Mehr lesen